Nicht mehr lange und im Tal wird abends das Feuer im Kaminofen knistern, am Berg werden die Lärchen goldgelb leuchten und ganz oben wird der erste Schnee die Gipfel bestäuben. Der Herbst rückt immer näher und die Sommersaison in den Bergen geht mit einer uralten Tradition zu Ende, die mittlerweile zu einem Besuchermagnet geworden ist: dem Almabtrieb.
Frische Luft und Bergkräuter: die Almwirtschaft
Was verstehen wir darunter? Eine Erklärung bietet die spezielle Art und Weise der Viehzucht in den meisten Alpenregionen. Es fängt im Frühsommer mit dem Almauftrieb an: Kühe und Pferde, aber auch Schafe und Ziegen werden hoch oben auf die Alm getrieben, wo sie drei bis vier Monate verbringen. Dieser Brauch, die sogenannte Almwirtschaft, hat zahlreiche Vorteile. Die Bewegung durch teils unwegsames Gelände bedeutet für die Tiere jede Menge körperliche Betätigung: Sie gewinnen an Gesundheit und Wohlbefinden, was sich wiederum positiv auf die Qualität ihrer Erzeugnisse auswirkt. Außerdem verleiht die besondere Vielfalt an Kräutern im Hochgebirge den aus Almmilch gewonnenen Produkten wie Butter und Käse als auch dem Fleisch ein einzigartiges Aroma.
Und im Tal? Hier kümmern sich die Bauern in der Zwischenzeit um das Heu für den Winter, indem sie die Wiesen im Tal und auf mittleren Höhen einmal oder auch mehrmals mähen. Mit dem Nebeneffekt, dass die wunderschöne, gepflegte Kulturlandschaft aus weitläufigen grünen Bergwiesen erhalten bleibt. Die Almwirtschaft stellt also einen Kreislauf dar, von dem Menschen wie Tiere gleichermaßen profitieren.
Wieder heim: Der Almabtrieb wird gefeiert
Zwischen Anfang September und Anfang Oktober ist es dann Zeit für die Viehherden, aus der „Sommerfrische“ in die Dörfer zurückzukehren. Und hier kommen wir zu dem Ereignis, das jedes Jahr tausende und abertausende Touristen anzieht. Der Almabtrieb ist ein rauschendes Fest zu Ehren der kostbarsten Einnahmequelle der traditionellen Land- und Viehwirtschaft in den Bergen: den Tieren. Diese werden mit Blumen, Bändern, Tannenzweigen und Glocken festlich geschmückt. Einst brachte der Anlass die Dorfgemeinschaft zusammen – heute bietet er eine weitere Gelegenheit, die Gegend und ihre Produkte einem breiteren Publikum bekannt zu machen.
Diese Chance haben viele Orte im ganzen Alpenraum – von Trentino-Südtirol über Österreich und die Schweiz bis hin zum Aostatal und den französischen Alpen – erkannt und daraus ein sehr beliebtes Tourismusevent gemacht. So zum Beispiel die Gran Festa del Desmontegar im Valle di Primiero in den Trentiner Dolomiten, wo zum Almabtrieb sämtliche Unterkünfte bereits Monate im Voraus ausgebucht sind.
Und auf Italienisch? Wörter auf der Alm
Moment mal. „Gran Festa del Desmontegar”? Was soll denn das heißen? Und was ist mit der „festa della transumanza“, die in Südtirol hier und da auf zweisprachigen Plakaten auftaucht? Schauen wir uns das einmal genauer an.
Das Dialektwort „desmontegar“ entspricht dem italienischen Verb „demonticare“, aus dem sich wiederum „demonticazione“ (Almabtrieb) sowie sein Gegenteil „monticare“ „monticazione“ (Almauftrieb) herleiten lassen. Es handelt sich dabei allerdings um Fachbegriffe, die oft durch einfachere Formulierungen wie „rientro dall’alpeggio“ und „salita all’alpeggio“ ersetzt werden, wobei „alpeggio“ die Almwirtschaft als solche beschreibt.
Bei „transumanza“ – zu Deutsch „Transhumanz“ oder „Wanderweidewirtschaft“, also dem Brauch, bei dem Viehherden im Lauf eines Jahres von einem Ort zum anderen wandern – denken die meisten Italiener in erster Linie nicht an die im Alpenraum verbreitete Almwirtschaft, sondern eher an die saisonale Fernwanderweidewirtschaft, die einst zwischen den Bergen der Regionen Abruzzen und Molise und den Weiden des Tavoliere in Apulien üblich war. Damals wanderten die Herden des Apennins im Herbst hinunter auf das viele Kilometer entfernte, fruchtbare Weideland der apulischen Ebene und kehrten im Frühling heim, um die Sommermonate in den frischeren Bergen zu verbringen. Ganz andere Verhältnisse also, die sich vom „alpeggio“ und der Welt der „malga“ (Alm, Almhütte) wesentlich unterscheiden. Außerdem steht bei dem Fest nicht die Wanderweidewirtschaft an sich im Mittelpunkt, sondern die Tatsache, dass Tiere und Menschen gesund und munter wieder nach Hause kommen.
Fazit: Wenn es um Alpen und Almabtrieb geht, dann ist der Oberbegriff „transumanza“ zu allgemein – oder aufgrund seiner Konnotation (also der durch das Wort hervorgerufene Vorstellung) sogar fehl am Platz.
Du vertrittst einen Tourismusverband oder einen Gastbetrieb in den Bergen? Deine Gäste möchten deine Region kennenlernen und mehr über Tradition, Geschichte und Bräuche erfahren? All dies erzähle ich für dich: aus dem Deutschen übersetzt oder direkt auf Italienisch getextet. Mit Tourismus und Alpen kenne ich mich aus.